Tagesarchiv für den 3. März 2009

Meine.

Dienstag, den 3. März 2009

Ich mach noch n büschen weiter, Pe. Danke. Ohne Dich würd ich das gar nicht erst anfangen …

Du weißt, dass ich nur deshalb noch lebe, weil du da bist und auf mich aufpasst? Weil du mich auftankst und so unerschütterlich liebst, egal, was ich grad wieder für einen Blödsinn verzapfe? Dass die Ärzte mich immer wieder reparieren, beiflicken und zum Laufen bringen, viele mich verwundert und freundlich bestaunen und mir helfen, und sich fragen, woher das grad alles kommt, was in mir ist?

Du weißt, dass das deines ist? Dass ich ohne dich nicht komplett bin, tatsächlich nicht sein kann im Sinne von „Dasein“? April, erste Diagnose in der Helios: Ein kiwigroßes Stück Dreck in meinem Kopf. Du bleibst relativ ruhig, fragst, was wir wollen, dass es ist: Tumor oder Metastase. Wir wollen die Metastase, und du sagst: Das ist eine. War es dann auch. Raus im Rollstuhl und deine unglaubliche Sicherheit, dass ich die überleben werde, dass ich alles zurückbekomme, was mir fehlt: Bewegungsfähigkeit, Motorik, Hirnfunktionen. Nach der OP sehe ich, wie Recht du hattest. Nur einmal hast du dich dann getäuscht: Du hast geglaubt, ich würde länger zur Erholung brauchen, und brichst fast zusammen, als du um die Ecke kommst und ich im normalen Stuhl am Aufzugsbereich sitze …

Dann der Garten, das Essen, die Party zum Geburtstag, die vielen Besuche mit deinen wunderbaren (und nur beinahe nie nervenden) Kids und den wundersamen männlichen und weiblichen Mitbringseln. Die vielen Fahrten zum Krankenhaus und das Versprechen, dass du mich da niemals gegen meinen Willen zurücklässt, das du auch gegen so viele Widerstände durchgsetzt hast. Dein Vertrauen in mich.

Die Enddiagnose. Diese Kraft, zu akzeptieren, dass ich akzeptiere uind mich arrangiere. Die Gespräche, wieder und wieder reden wir über uns, Leben, Sterben und einfach nur so. Du bringst mich zum Lachen, wenn ich eigentlich nicht wüsste, wieso. Rufst die Kavallerie, als ich nicht mehr weiterweiß, außer zu weinen. Du einst die Dinge, und dann auf einmal: ein Funke, eine Explosion, mein Fehler – und du gehst.

Allerdings nur, um wiederzukommen, noch intensiver.

Natürlich kracht es zwischendurch immer mal wieder, aber mich verlässt nicht und nie mehr das Vertrauen, dass es dich gibt, dass du nach wie vor hinter mir stehst, um mich zu stützen, und dich vor mich stellst, um mich zu schützen. Wehe denen, die sich dazwischenstellen wollen. Das ist dein Signal an mich und die Welt.

Du weißt, dass ich nicht annähernd ein guter Bruder für dich war und dass ich das auch nie mehr sein kann? nicht, weil ich nicht will, nur, weil ich nicht wusste, wie man das macht. Heute, wo’s zu spät ist, wüsste ich das: ich müsste nur ein bisschen mehr wie sein wie du bist. Du weißt, dass ich noch weitermachen will und kann, solange dein Bauchgefühl und deine Augen dir genau das sagen? Du weißt, dass ich dich liebe, und dass, wenn ich könnte, ich dir helfen würde, die nächsten Jahre zu überstehen?

Alles Gute zum Geburtstag, » Alfis kleine Schwester

Dein kleinster Bruder