Autobahn

Ich hoffe, dass du mir nicht böse bist, wenn ich aus unseren Mails (gekürzt) zitiere. Heute zum Beispiel ist wieder so ein lausiger Tag mit Schmerzen, fehlender Koordination und abwesender Feinmotorik.

Und wenn die anderen lesen, was eigentlich permanent in mir vorgeht, verstehen sie vielleicht besser, wieso mich die für meine Krankheit so „normalen“ Dinge unregelmäßig niederreissen.

Hast meinen vollen Respekt dafür, wie du mit deiner Situation umgehst, wie du wissen lässt, dass der alte Alf nicht unterzukriegen ist.

Tapfer? Ich hatte und habe eine Angst, wie ich sie mir nie hab vorstellen können. Ich wusste nicht, dass man so empfinden kann.

Tapfer? Doch, auf jeden Fall. Was du nach außen durchdringen lasst, ist immer positiv und motiviert. Du hast deinen Sinn für Humor nicht verloren.
Angst … ist das eine konkrete Angst, oder „einfach“ eine allgemeine Panikstimmung? Angst, weil du nicht weißt, was als nächstes auf dich zukommt?

Galgenhumor. Das ist die nackte Angst vorm Sterben. Die ist ja nicht irrational – der Tod, das „tot sein“ ist eine Möglichkeit bei mir. Durch viele Dinge: Krebs, Hirnschlag, Organversagen, Embolien jeder Art … Das sind reale Möglichkeiten im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Das ist wie mit 50 auf der Autobahn – ohne Bremsen, ohne Lenkung und ohne Gurt, festgebunden auf dem Beifahrersitz. Klingt nicht aufregend gefährlich.

Bis du auf ein Stauende triffst …

Das Thema steht natürlich im Raum – keine Frage … es ist bestimmt das erste, was einem durch den Kopf geht, wenn man die Diagnose „Krebs“ präsentiert bekommt.
Welche Möglichkeiten hast du (außer Psychopharmaka), diese Angst zu managen? Du bist intelligent und gebildet, welche Methoden hast du schon recherchiert? Was kannst du tun, um den anderen Teil der Möglichkeit – die Wahrscheinlichkeit der Heilung, des Weiterlebens und Altwerdens, in den Vordergrund zu bekommen? Mal logisch gesehen: Wenn (wie du sagst) die eine Möglichkeit im niedrigen 2-stelligen Prozentbereich liegt, muss die andere Möglichkeit zwangsläufig im hohen 2-stelligen Prozentbereich liegen.

Ausgepoppt

Ausgepoppt

8 Reaktionen zu “Autobahn”

  1. phager

    alf, ich glaube nicht, dass es für diese „niederreisser“ unverständnis gibt – im gegenteil. *drück*

    du hast diese (auf den ersten blick sicher) „gnadenlosen“ fragen online gestellt. wirst du auch die antworten dazu geben? ich fände es schade, wenn sie so unbeantwortet in der luft hängen blieben oder im sande versickern würden, weil die angst des lesers, darauf zu reagieren, zu groß ist*. ich halte diese fragen/gedanken/ängste für monster, die man am schopf packen und ordentlich schütteln sollte, bis ihnen hören und sehen vergeht, wenn sie sich schon ein mal erdreisten, ihre hässliche(?) visage aus ihrem erdloch zu strecken.

    *ja, ich habe auch angst, wenn ich das hier schreibe. angst, etwas falsches zu sagen und angst, nichts gesagt zu haben, wenn ich es bleiben lasse. hilf mal.

  2. Alfred Lohmann

    @phager: Okay. 1. braucht niemand sich selbst zu zensieren – es gibt ein Ausnahmethema, dazu komme ich später.
    Jedenfalls sollten mich die meisten von euch als den kennen, dem so gut wie nix heilig oder peinlich ist. Das ist noch immer so, auch bei diesem Thema. Seit ich Ende der 90er einen Hoden entfernt bekam, mache ich darüber Witze a la „ich hab breite Hüften – eins meiner Eier ist hier, das andere in Essen im Glas (sinngemäß)“. Oder: „Seitdem trag ich meine Unterwäsche eine Nummer kleiner und hab mehr Platz“, und so weiter. Würde ich verhuscht reagieren, beleidigt, angepisst (und, ehrlich: das war ich im physischen Sinn jetzt oft genug in diesem Jahr, reicht dann auch 😎 ), wäre das nicht ich. Kommt aber natürlich auch drauf an, wer’s sagt.

    Fragen stellen? Immer. Wenn sie keine Lückenfüller sind oder blablabla, gibt’s keine Grenzen. Ich meine: Vielleicht liest hier jemand mit, der Ähnliches erlebt, erleben wird und nur sieht: „Yeah, ich bin nicht der einzige mit diesen Problemen, das scheint normal zu sein für meinen Zustand, das ist kein Grund mich zu verzweifeln oder mich zu verstecken.“

    Ich muss auch die Rubrik mit den Nachrichten über meinen Krebs und das alles nicht „DARWIN“ nennen – aber es macht Sinn, weil ich vielleicht aussortiert werde und den Genpool entlaste. Sowas darf jeder schreiben. Galgenhumor ist wichtig. Der enthöht den Schrecken (auch für einige von euch). Macht nicht den Fehler, Situationen vergleichen zu wollen und mich damit aus einem Gespräch/Dialog zu schmeißen, nur weil ihr denkt, dass es lächerlich wäre, sich über eine schlaflos verbrachte Nacht beschweren zu wollen, wo ich davon gleich ein Dutzend vorweisen kann – und zwar alle drei Tage. Nein, damit macht man mich stumm.

    Okay. Soweit dürfte das klar sein.

    „Okay. 1. braucht niemand sich selbst zu zensieren – es gibt ein Ausnahmethema, dazu komme ich später.“ Jetzt. Versucht nicht, mir zu einem Verhalten zu raten a la

    „Versuch, dich zu entspannen; denk an die scönen Seiten; lies doch mal usw usw. Darauf reagiere ich mit Flucht.Sagt von mir aus, dass das eine Phase ist, die vorbeigeht. Aber ihr müsst euch nicht in mich hineinversetzen und Lösungen finden. Ich will das nicht. Tröstet, sagt ab und zu „Aaaaaaaaaaarmer Alf“, macht euch lustig. Schickt mir rote Shirts mit der Aufschrift „Verarschung ist die beste Medizin“ (Nein, macht das nicht!!) :rolleyes: – alles andere hinterlässt bei mir bei aller Zuneigung, allem ehrlichen Mitempfinden und aller von mir durchaus wahrgenommener und verständlicher Hilflosigkeit einen Flucht- und Schweigeimpuls, das leichte und (das euch gegenüber massiv unfaire Gefühl), ich würde veräppelt werden.

    Alles beantwortet?

    Das noch:

    Außerdem hast du in deinem Bild einen Denkfehler: Du sitzt zwar am Beifahrersitz, aber bist nicht festgebunden. Du hast einen (zugegeben eingeschränkten) aber doch erheblichen Handlungsspielraum! Antwort: Das stimmt.

    Ich hoffe, du hattest mein etwas verdrehtes Bild richtig verstanden – nicht so wie ich heute, als ich es noch ein Mal gelesen habe und plötzlich vor meinen Augen ein Alf-Engel blumenpflückend, ein Liedchen summend über eine Wiese schwebt!
    Bei meinem momentanen Körpergewicht müsste ich eine Spannweite eines A380 haben – und schweben wäre dann trotzdem nicht drin … Also: never mind.

  3. phager

    ok. klare ansage. thx!

  4. Pe

    ich drück und knutsch dich auf die Platte,du riesiges Ungetüm… 😉

  5. bibib

    oh mann, deine art, dich über dich selbst lustig zu machen, mochte ich eh immer schon, aber in der dimension kriegt dein galgenhumor nochmal eine neue bedeutung.

    einen ironischen blick auf sich selbst und die welt zu werfen, egal, wie dick es grad kommt, das ist eine fähigkeit, die die wenigsten menschen besitzen – danke, dass du mich wieder daran erinnerst. deine „enthöhnung des schrecks“ ist die beste (wenn nicht einzige) voraussetzung dazu, aus solch harten zeiten heil wieder rauszukommen – hut ab, find ich einfach nur gut, gut, gut.

    übrigens: äußerst vielseitig verwendbar, diese popcornbilder, wer hätte das gedacht…

  6. phager

    woher stammt das bild? das ist hammerstark!

  7. Alfred Lohmann

    Fotoshooting in Viersen, Anfang 08. Fotograf: Birgit.

  8. phager

    wow … it’s drama, baby – macht echt was her. respekt!